Aufrufe
vor 5 Jahren

Chronik der Naturschutzarbeit (Band I)

  • Text
  • Pflanzen
  • Tiere
  • Lebensraum
  • Chronik
  • Naturschutzarbeit
  • Naturschutz
  • Landkreis
Naturschutzarbeit im Landkreis Löbau-Zittau

• • • • • •

• • • • • • • • • • • • • • • • Naturschutz • • • • • • • • • im • • Wandel • • • • • der • • • Zeit • • • • • • • Eine kritische Betrachtung von Gert Hofmann, langjähriger ehrenamtlich engagierter Naturschützer und Ornithologe aus Zittau Zitat: „Geschichte der organisierten Vogelkunde im Kreis Zittau“, 2010 (unveröffentlicht): Der Naturschutz DDR / Sachsen aus der Sicht von Naturschützern Es ist allgemein bekannt, dass die Gesetze oft besser sind als ihre praktische Umsetzung und ihr Ruf. Für die Naturschutzgesetzgebung scheint das zutreffend zu sein und zwar unabhängig vom gesellschaftlichen System. Manchen ehrenamtlichen Mitarbeiter des Naturschutzdienstes hat dies schon zur Resignation getrieben und er gab sein Engagement und die ehrenamtliche Naturschutzarbeit auf. Was echte Naturschützer verbindet, ist das uneigennützige Engagement, unser Naturerbe mit all seinen noch erhaltenen Pflanzen- und Tierarten sowie landschaftlichen Strukturen und Schönheiten zu erhalten. Als das Gesetz über die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der Deutschen Demokratischen Republik – Landeskulturgesetz – nach öffentlicher Diskussion, bedacht mit Vorschusslorbeer in den Medien, am 14. Mai 1970 beschlossen wurde und am 1. Juni 1970 in Kraft trat schöpften viele Naturfreunde Hoffnung, dass es nun aber vorangehen werde mit der planmäßigen Entwicklung der sozialistischen Landeskultur als System zur sinnvollen Gestaltung der natürlichen Umwelt und zum wirksamen Schutz der Natur mit dem Ziel der Erhaltung, Verbesserung und effektiven Nutzung der natürlichen Lebens- und Produktionsgrundlagen der Gesellschaft – Boden, Wasser, Luft sowie Pflanzen- und Tierwelt in ihrer Gesamtheit- und zur Verschönerung der sozialistischen Heimat. Doch bald kamen Zweifel und schließlich wurde es zur Gewissheit, daß die viel gepriesene Mehrfachnutzung der Landschaft sich mit den zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten zur Priorität der „volkswirtschaftlichen Notwendigkeit“ wandelte und der Naturschutz immer mehr zum fünften Rad am Wagen wurde. Das zeigt sich bei der Ausnahmegenehmigung für den Bau der Möbelfabrik Großschönau im Landschaftsschutzgebiet „Zittauer Gebirge“ (siehe Abschnitt „Eingaben“ 7.10.1977 und 16.11.1977). Bezeichnend ist auch die Weigerung des Ministeriums für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, die Verantwortung der in der offenen Landschaft produzierenden Betriebe für Landeskultur, Umwelt- und Naturschutz im Beschlussdokument des 13. Bauernkongresses deutlich hervorzuheben (siehe Abschnitt Eingaben Januar 1977, 21.3.1987, 15.5.1987). Vor der politischen Wende war nur ein Kreismitarbeiter auch für den Naturschutz mit verantwortlich. Er war selten vom Fach und froh, wenn sich jemand fand, der etwas organisierte (z. B. Arbeitseinsätze). Auch der Kreisnaturschutzbeauftragte wurde mit amtlichen Angelegenheiten beauftragt. Praktische Arbeiten in Naturschutzobjekten wurden fast ausschließlich von Ehrenamtlichen ausgeführt. Trotzdem war der Naturschutz, wie viele Bereiche, politisch beeinflussbar. Der politische Einfluss nahm in den 1980er Jahren noch zu und wurde auch über die Gesellschaft Natur und Umwelt ausgeübt. Auch wenn gelegentlich der Naturschutz in den Medien positiv dargestellt wurde, in Wirtschaftsund Politikkreisen galt der Naturschutz als wirtschaftliches Hindernis, ohne das öffentlich so deutlich auszudrücken. Die politische Wende weckte ab 1989 wieder Hoffnungen auf besondere Zeiten für den Naturschutz und die schienen sich zu bestätigen. Engagierte Naturschützer wurden in die untere Na- 117

turschutzbehörde eingestellt. Auch sonst war diese Behörde personell sehr gut besetzt. Als Folge der um sich greifenden Arbeitslosigkeit waren in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) Beschäftigte beim Landratsamt im Naturschutz tätig. Ursprünglich war ein Naturschutzzentrum als Eigenbetrieb des Landratsamtes der unteren Naturschutzbehörde fachlich unterstellt, bis es schließlich privatisiert wurde. Doch mit der Zeit gibt es Veränderungen. Die Behörde wird umorganisiert, Planstellen fallen weg, Mitarbeiter werden in andere Abteilungen versetzt, ABM gibt es seltener, sie fallen schließlich ganz weg. Der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises werden gewisse Entscheidungen in Sachen Naturschutz, die wirtschaftliche Interessen berühren, aus der Hand genommen und höheren Orts getroffen. Der Naturschutz wird wieder mehr zum fünften Rad am Wagen. Bei üblicher Betonung des Privateigentums und des Geldes als Maß aller Dinge ist das nicht verwunderlich. Förster betrachten scheinbar immer öfter den Wald aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Es werden zwar keine Kahlschläge mehr gemacht, aber die Bestände werden zu sehr ausgelichtet. Mit modernster Technik und wenig Leuten wird selbst in dunkler Nacht mit weitreichenden Scheinwerfern gearbeitet. Diese aufgelichteten Bestände taugen vermutlich eines Tages nicht mehr als Einstand für Eulen. Außerdem besteht die Gefahr, dass Buntspechthöhlen, die als Brutplatz für den Sperlingskauz wichtig sind mit beseitigt werden. Und es ist fast die Regel, dass diese ausgelichteten Bestände in den folgenden Jahren keine Ruhe vor nachfolgenden Durchforstungen haben. In einem Fall wurde im Zittauer Gebirge ausschließlich eine Horstschutzzone ausgelichtet und rundum keine weiteren Bestände. Das hat den Anschein, als stünde in diesem Fall eine besondere Strategie dahinter. Ein Vertreter der zuständigen Behörde war im Zittauer Gebirge anwesend und hat erklärt, „Wir können nicht das ganze Zittauer Gebirge mit Horstschutzzonen überziehen“. Es waren zwei Horstschutzzonen aufgelöst worden. Das Landesamt für Umwelt und Geologie verlangt eine gewisse Mindestzahl an Nachweisen einer schützenswerten Art. Es ist mitunter aus verschiedenen Gründen (z. B. persönliche Gründe, ungünstige Witterung) nicht möglich, diese Mindestzahl an Nachweisen zu erbringen. In diesen Fällen zieht die Behörde sofort die Schutzwürdigkeit der Horstschutzzone in Zweifel und ist schnell bereit, die Schutzzone aufzuheben. Außerdem haben nach Aussage dieses Behördenvertreters die Bergsteiger massive Ansprüche auf Kletterfelsen angemeldet, denen man sich nicht auf Dauer verschließen kann. Naturschutz im freien Fall? Von Bernd Heinitz,“ entnommen aus „NABU Report 2008 Naturschutz in Sachsen“ S. 1 (gekürzt) „An schönen Worten hat es nicht gefehlt 2008. Vom dramatischen Artensterben war bei der UN-Konferenz in Bonn die Rede, vom unersetzlichen Wert der Natur und von der Verantwortung der Welt dafür, dass dieser Verlust aufgehalten wird. Jedes Wort davon ist wahr. Und schon seit Jahrzehnten bekannt. Beim Weltgipfel in Rio de Janeiro wurde der drohende Verlust der biologischen Vielfalt 1992 offiziell auf die Agenda der Politik gesetzt. Seit 1994 bemüht sich eine internationale Konvention um die Umsetzung des Zieles. Doch die Natur zeigt sich von den wortreichen Erklärungen unbeeindruckt: Im krassen Gegensatz zum Schneckentempo der Verhandlungen 118